Bergerlebnisse in Südamerika 1976
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Von Theo Hilz

Der Wunsch, die imaginäre Höhenmarke von 6000m zu überschreiten, führte Anneliese Hosmann, ihren Mann Sepp, Helmut Hamberger, Helmut Fischer und mich nach Südamerika. Ende Mai flogen wir über den Teich, zuerst nach Lima. Um den beinahe tödlichen Fehler von "Afrika 1973" nicht zu wiederholen, wollen wir uns diesmal ganz langsam an die Berge herantasten und zuerst das Land kennenlernen. Eine Flugstunde von Lima entfernt liegt Cuzco, einst Zentrum des legendären Inkareiches. Dort im Hotel angekommen wollte ich das Zahlenschloss meines Seesackes öffnen, aber die Zahlenkombination war mir entfallen, zwei Tage wenig Schlaf und die ungewohnte Höhe von 3500m, verdammt war es 2, 3, 6 oder 3, 2, 8 oder ? Nach einer Stunde Schlaf arbeitete das Gehirn wieder halbwegs normal. Cuzco ist der Ausgangspunkt für eine Bahnfahrt nach Machu Picchu. Meister der Taschendiebe schafften es doch, mir am Bahnhof meine geliebte kleine Rollei vom Handgelenk zu klauen, Respekt!

Ich persönlich zähle Machu Picchu zu den Weltwundern, dieses Kleinod wurde erst 1917 wieder entdeckt. Genaues über Sinn und Zweck weiß man bis heute nicht, ein geheimnisvoller Schleier liegt darüber. Die Lage hoch über dem Urubambatal ist sicherlich einmalig, doch aber auch Anziehungspunkt für neugierige Massen. Durch einen kleinen Trick kann man den Menschenauflauf umgehen, sehr früh aufstehen. Wir jedenfalls waren schon um sechs Uhr zu Fuß unterwegs, am Wegrand blühen Usambara-Veilchen, Geranien und Begonien, um halb acht ist das Tor erreicht, die einmalige Anlage gehört uns ganz allein. Die nächsten Tage ging es mit der Andenbahn zuerst über den 4323m hohen La Roya Pass nach Puno am Titicacasee, der etwa in Großglockner höhe liegt. Durch den See verläuft die Grenze Peru/Bolivien, die wir nun im Bus überschreiten. Die Plätze teilen sich etwa fünfzig Indios und fünf "Gringos". Alle 20 Km Polizeikontrolle, wir als Fremde müssen Zielort und Beruf angeben. Unsere Anneliese ist Steuerberaterin, wir kennen dafür das spanische Wort nicht, also wird sie einfach zur "Cocinera" : Köchin. Endlich ist La Paz, die Metropole Boliviens, erreicht. Eine verrückte Stadt, etwa so groß wie München, nur "etwas" höher, der Flughafen liegt 4100m, die Stadt, in einem Kessel gelegen zwischen 3500 und 3700m. Die Hauptstraße ist gesäumt von Hochhäusern mit mondänen Geschäften, davor Indios, die Männer leider europäisch gekleidet, aber dafür mögen es die Frauen bunt. Mit fünf Unterröcken bekleidet, den unvermeidlichen Bowlerhut auf dem Kopf und mindestens einem Säugling im Tragetuch sind sie unverwechselbar. Das Klima ist brutal, bei mittäglichem Sonnenschein treffen die senkrechten Strahlen nur den Kopf, die Füße bleiben kühl. Die Nächte sind bitterkalt, so daß Hambi im ungeheizten Hotelzimmer mit Daunenjacke und Mütze herumläuft, letztere läßt er auch zum schlafen auf. Wasser ist ebenfalls Mangelware, die Klospülung geht erst ab sechs Uhr, wenn man aber, wie wir, schon um fünf Uhr muss? Der Illimani 6462m wacht in makellosem Weiß über die Stadt. Ja nun ist es soweit, auf zum Bergsteigen, also Vorräte kaufen und einen Kocher mit Brennstoff. Hier werden insbesondere von den Indios nur Petroleumkocher verwendet, dieser ist überall erhältlich, aber das Kerosin dazu, da gibt es Engpässe. Dazu schicken wir Anneliese, unsere Kleine, sie stellt sich brav in die lange Schlange der wartenden Indiofrauen, eine von ihnen nimmt sie bei der Hand und bringt sie ganz nach vorne. Überhaupt bestimmt die Frau hier das Bild, im Durchschnitt nur 1,50m groß, verteilen sie auf den vielen Indiomärkten Gemüse und Südfrüchte, die aus dem fruchtbaren Tiefland hochgekarrt werden. Aber auch als Polizistinnen tun viele Dienst, sie gehen mir kaum zur Schulter, aber in adretter Uniform mit umgeschnalltem Colt sind sie doch Respektspersönchen. Als erstes Bergziel haben wir die Condoriri-Gruppe ausgesucht. Der gemietete Toyota Jeep steht am Ende der Piste, der Rest ist Fußmarsch. Der Lagerplatz liegt in einer traumhaften Umgebung, Alpamayo Chico und Nevado Condoriri sind die wildesten Gipfel, daneben eine Reihe leichterer Fünftausender, unser Ziel. Zelte aufbauen bei minus 8-10 Grad, Wasserholen mit Eispickel, um den Kocher hüpfen wie das Rumpelstilzchen, so kann man den Rest des Tages beschreiben. In den nächsten Tagen erobern wir nacheinander die Gipfel Cochilcono 5370m, Maurechata 5420m, Gestana 5350m. Abschied von diesem Paradies und Fahrt nach Milluni. Unsere Zelte stehen an der "Laguna" in 4500m, daneben die Baracken der Zinnmine. Das Leben hier ist unvorstellbar karg und entbehrungsreich. In der "Cantina" sitzen die "Mineros" mit der Mütze auf dem Kopf, wärmen sich die Hände an der Kaffeetasse, in diese wird Brot getunkt, das ist alles. Von den Wänden rinnt Wasser und gefriert zu glitzernden Eiskaskaden. Im Hof sehen wir einen Eber, der eine Sau begattet, besser gesagt "will", wir schauen eine Zeitlang zu, aber nichts geschieht; die Frage an uns Männer drängt sich auf - "wie würden wir wohl in 4500m ......? Die Laguna Zonga bereits 4700m hoch, hier bleibt unser Fahrzeug zurück, ist der Ausgangspunkt für den Huayna Potosi. In 5400m, unter einem Gletscherbruch ist ein ebener Platz für das Hochlager. Bereits am nächsten Tag starten wir einen Besteigungsversuch, aber das Wetter macht nicht mit, nach kurzer Zeit stehen wir im Nebel, es beginnt zu schneien, also zurück ins Lager. In der Nacht fegt ein Schneesturm um die Zelte, am Morgen ist dieses um die Hälfte kleiner, der Neuschnee, fast einen halben Meter hoch, hat es fast eingedrückt. Ein Paar Brocken zum Frühstück, die Notdurft verrichten, ohne Spur versinkt diese im Pulverschnee, dann nichts wie weg hier. Die nächsten fünf Tage widmen wir uns La Paz mit Umgebung und warten auf besseres Wetter. Als wir unseren Lagerplatz das zweite Mal erreichen, hat sich der DAV dort bereits häuslich eingerichtet. Der Schnee ist weggeschmolzen, die DAV'ler beschweren sich über die "Saubären", denn auf dem blanken Gletscher sieht man "Häuferl", wir wissen von nichts! Am 16.06.76 Aufbruch zum Gipfel, die Gruppe des DAV unter Leitung von Manfred Sturm folgt in kurzem Abstand. Anneliese und Hambi kehren bald um. Mir macht die Höhe keine Schwierigkeiten, ich genieße den Aufstieg, es ist kalt, unter stahlblauem Himmel steht vor uns in greifbarer Nähe majestätisch unser Ziel. Der letzte Gipfelhang hat etwa die Hö;he und Schwierigkeit der Fuscherkar-Nordwand. Die ACW'ler erreichen als erste den Gipfel, "hurra geschafft"! Glückstrahlend fallen wir uns in die Arme, unser Wunsch ist Wahrheit geworden, genau 80m stehen wir über unserer Traummarke.

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