Persisches Abenteuer im Iran: Demawend 5670m
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Von Hans Pöperny

Zum x-ten male laufe ich nun schon diese nüchterne und kahle Halle auf und ab, über 7 Stunden verbringen wir nun schon abwechselnd liegend, stehend oder gehend im "überaus interessanten" Transitraum vom Moskauer Flughafen. Langsam kommen uns Zweifel, ob wir überhaupt noch einmal von hier wegkommen. Nach über 8 Stunden wird unser Weiterflug nach Teheran dann doch noch aufgerufen. Als dann im Flugzeug auch noch ein sehr klägliches Essen serviert wird, glauben wir endgültig zu wissen, warum dieser Flug mit der Aeroflot so günstig war. Fritz Diermeier, der neben mir sitzt, kann sein Magenknurren kaum mehr verhalten, sein hungriger Gesichtsausdruck spricht Bände. Den Beginn unserer ersten Auslandsfahrt auf einen Berg außerhalb der Alpen haben wir uns doch etwas anders vorgestellt. Unser Ziel ist der erloschene Vulkan Demawend, mit 5671m der höchste Berg im persischen Elbursgebirge. Mit leichten Magenkrämpfen erreichen wir doch noch die Hauptstadt vom Iran. Ein sehr geschäftstüchtiger Taxifahrer nimmt uns für die 2- bis 3- stündige Fahrt zum Ausgangspunkt der Besteigung des Berges auch gleich noch 100 US Dollar ab. Da wir die Reise nur zu zweit unternehmen und auch keine Hilfe oder Unterstützung durch ein Trekkingunternehmen haben, stehen wir, nachdem uns der Taxifahrer in Rineh am Fuße des Demawend abgesetzt hat, am Anfang doch etwas hilflos in der sehr staubigen und verlassenen Gegend herum. Nach erstem Kartenstudium machen wir uns an den Aufstieg zu unserem 1. geplanten Lager. Da der Weg am Anfang noch klar vorgegeben ist, kommen wir gut voran. Nach vier Stunden errichten wir unser 1. Lager auf 3000m. Der nächste Tag soll uns nun bis zur Demawend-Hütte auf 4500m bringen. Doch in diesem ziemlich eintönig aussehenden Gelände verlieren wir die Orientierung und kommen von der richtigen Aufstiegsroute ab. Am Fuß eines Schneefeldes bauen wir auf 4100m unser 2. Hochlager auf. Nachdem die Besteigung dieses Berges von allen Seiten keine allzu großen Schwierigkeiten bietet, sehen wir in unserer Verirrung eigentlich kein großes Problem. Am nächsten Tag beschließen wir, über das Schneefeld, das sich bis in die Gipfelregion hinauf zieht, weiter aufzusteigen. Was am Anfang ziemlich einfach aussah, stellt sich im Laufe des Tages, als die Hitze zunimmt und den Schnee aufweicht, doch als recht mühevoll heraus. Der Schnee wird immer tiefer, das Schneefeld immer steiler, die Luft immer dünner und wir immer langsamer. Am späten Nachmittag müssen wir erkennen, dass wir an diesem Tag den Gipfel nicht mehr erreichen, unsere gewohnten Höhenmeter, die wir in den Alpen an einem Tag zurücklegen, können wir hier, auf nun fast 5000 Metern nicht mehr einhalten. Unter einer geschützten Felswand bereiten wir ein Biwak vor. In der Nacht werde ich dann von Schlaflosigkeit und starken Kopfschmerzen geplagt, mal sitzend, dann wieder stehend oder liegend, verbringe ich die Nacht. Für den wolkenlosen Sternenhimmel den wir am Abend noch bewundert haben habe ich nun keine Augen mehr. Fritz scheint die Höhe weniger auszumachen, er ist in seinem Schlafsack ganz verschwunden und rührt sich fast nicht, neidisch könnte man werden. Im Nachhinein muß ich erkennen, dass so ein schneller Aufstieg in so einer Höhe ohne genügend Akklimatisation äußerst gefährlich werden kann. Mit großer Erleichterung nehme ich die ersten Sonnenstrahlen, die unseren Biwakplatz treffen, zur Kenntnis. Nach einem kurzen appetitlosen Frühstück machen wir uns wieder an den Aufstieg. Nach 3 bis 4 Stunden können wir endlich die Gipfelfelsen des Demawend erkennen, doch als wir den Kraterrand erreichen, verschlägt es uns fast den Atem, Schwefelgeruch und Schwefeldämpfe, die an unzähligen Stellen aus dem Berg austreten, rauben uns die ohnehin schon knappe Luft vollends. Erst als wir den Gipfel des Demawend erreichen, lässt der Schwefeldampf nach und wir können nun ungehindert unseren ersten Erfolg an einem Fünftausender genießen. Mit einer Umrundung des Kraterrandes schließen wir die Besteigung ab. Nach einer einstündigen Gipfelrast steigen wir wieder ab, das Schneefeld mit seiner nun idealen Neigung bringt uns dann auf eine Idee, wir setzen uns auf unsere Rucksäcke und rutschen in Richtung unseres letzten Hochlagers, das an dessen Ende liegt, ab. Die Entfernung, die wir tags zuvor in mehrstündigem Aufstieg mühsam zurückgelegt haben, sausen wir nun in einem flotten Tempo hinab. Da keine Steine oder sonstige Hindernisse im Weg liegen, sind wir in kurzer Zeit wieder bei unserem Zelt. Am nächsten Tag machen wir uns an den Abstieg, dieser verlangt jedoch auch noch einmal alle Kräfte, die Rucksäcke mit ca. 30 kg drücken schwer auf die Schultern und die zunehmende Hitze gibt das ihrige dazu. Als es Mittag wird und die Sonneneinstrahlung immer stärker wird, es werden wohl mittlerweile zwischen 30 und 40 Grad sein, werden wir langsam unruhig, unser Wasservorrat ist zu Ende, weit und breit keine Menschenseele, kein Wasser, kein Baum oder Strauch, nur eine öde Geröllwüste, wo werden wir jetzt wieder rauskommen? Der Durst wird immer größer. Endlich, am späten Nachmittag, sehen wir einen Schafhirten und das erste Grün und etwas später dann vereinzelte Lehmhütten. Als wir eine Stunde später mit ziemlich trockener Kehle den Dorfeingang erreichen, trifft uns fast der Schlag, ein Dorfbewohner bespritzt mit aller Seelenruhe seinen Hof, damit es nicht so staubt. Wir müssen uns ganz schön zusammenreißen, damit wir ihm nicht seinen Wasserschlauch entreißen. Nachdem der Durst fürs Erste besiegt ist, warten wir auf der nahen Landstraße auf einen Bus, der uns in einer dreistündigen Fahrt zum Kaspischen Meer bringt. In einer kleinen, einfachen Unterkunft, der ganze Raum ist nur mit zwei Strohmatten ausgestattet, verbringen wir dann die erste Nacht, nicht jedoch, ohne vorher einen kleinen Getränkeladen geplündert zu haben. Am nächsten Tag folgt dann eine sehr abenteuerliche Reise mit einem nicht weniger abenteuerlich aussehenden Bus durch Berge und Schluchten zurück nach Teheran. Bei dieser Fahrt werden unsere Vorstellungen von einer gemütlichen Busfahrt gründlich geändert, der Fahrer muss einmal Rennfahrer oder sowas Ähnliches gewesen sein. Gegenverkehr, scharfe Kurven, Abgründe, dies alles ist für ihn noch lange kein Grund sein, rasantes Tempo zu verringern, oft hat man vom Fenster eine hindernislose Aussicht bis in die einige hundert Meter tieferliegenden Talgründe. Der Fahrer scheint ein grenzenloses Vertrauen in Allah zu haben. "Inschalla" (für Nichtmohammedaner : "Wenn Allah will"). Als wir dann endlich vor den Toren Teherans stehen, sind wir uns einig, dass die Besteigung des Berges bei weitem nicht so gefährlich war wie diese Fahrt. Wenige Tage später beenden wir unser persisches Abenteuer und sitzen wieder im Flugzeug nach Frankfurt.

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