Von Christine Kellner
Im Juli 1985 sind wir, eine kleine Gruppe von Waxensteinern, nach Ecuador geflogen.
Hohe Ziele hatten wir geplant; Tungurahua, Cotopaxi und Chimborazo. Nach unserer
Landung in Quito bezogen wir Quartier im Hotel Vienna. Diesen und den nächsten Tag
verbrachten wir mit der Organisation der Weiterreise. Bereits am 3. Tag nach unserer
Ankunft saßen wir im Express-Taxi nach Banjos. Einen kleinen Teil unseres Gepäcks

hatten wir in Quito deponiert, aber unsere Seesäcke wogen noch gut 20 kg. Alles wurde
auf dem Dach unseres Taxis verschnürt. Nach gut 3 Stunden erreichten wir Banjos, das
in dicken Regenwolken lag. Wir bezogen das Hotel Sangay. Noch am selben Abend packten
wir unsere Rucksäcke. Trotz des schlechten Wetters wollten wir am nächsten Morgen
aufbrechen. Leider hatte es über Nacht nicht zu regnen aufgehört. Also schulterten
wir unsere schweren Rucksäcke. In einer Hand den Regenschirm in der anderen die
Stöcke, so marschierten wir los. Auf dem Weg trafen wir eine Camionetta vom
Tungurahua-Nationalpark. Der Fahrer erklärte sich bereit, uns auf seinem Auto ein
Stück mit hinauf zu nehmen. Die Straße führt bis auf ca. 2.700 m, von da gingen wir
zu Fuß weiter. Der Weg war gut zu erkennen aber teilweise vom Bambus total
zugewachsen. Oft krabbelten wir auf allen Vieren unter einem Wurzel-Wirrwar hindurch
und wünschten uns eine Machete, wenn sich der Eispickel am Rucksack wieder in den
Wurzeln verfing. Die Sicht war gerade 10 Meter. In der Hoffnung auch auf dem
richtigen Weg zu, sein kämpften wir uns hoch. Plötzlich hinter einer Wegbiegung
wurde es lichter und die Hütte stand vor uns: kaum zu glauben. - El Refugio Santos
Ocania -. Von der Hütte waren wir angenehm überrascht, sogar ein Gaskocher war
vorhanden. So lange es noch hell war, erkundeten ein paar von uns den Weiterweg.
Die anderen sorgten fürs Essen. Auf dem Dachboden breiteten wir unsere Matten aus.
Aber allzugut konnte wohl keiner schlafen. Um 5.30 Uhr am nächsten Morgen gings los.

über die hartgefrorene Vulkanasche zog sich der Weg hin bis zu einigen Felsblöcken.
Dahinter ging der Gletscher los und wir legten unsere Steigeisen an. Die Gruppe hing
ziemlich weit auseinander. Theo und Fritz waren schon vorausgegangen. Die anderen
kämpften mit ihren Steigeisen. Vom langen Warten war mir kalt und ich beschloß
vorzugehen, immer der Spur der Ersten folgend. Ein Stück weiter oben erfaßte mich
eine Windböe und warf mich zu Boden. Ich wartete etwas, aber der Wind ließ nicht
nach. Auf allen Vieren folgte ich der Spur die jetzt nur noch schwer zu finden war.
Der Wind hatte alles verblasen, nur die Abdrücke der Steigeisen waren schemenhaft
zu erkennen. Immer wieder versuchte ich aufzustehen, aber der Wind war zu stark.
Vermutlich war ich schon nahe dem Kraterrand, aber im dichten Nebel konnte ich
das nicht sehen. Schließlich ließ auch der Wind etwas nach und bald stieß ich
auf Fritz und Theo. Sie waren bereits am Gipfel. Ich war froh sie zu sehen.
Gemeinsam gingen wir noch einmal hinauf zum Gipfel. Der Wind war so stark, daß
er von Theos Thermoskanne den Deckel davon trug. Nach einem Schluck Tee und 2
Fotos im Nebel machten wir uns an den Abstieg. Nach ca. einer halben Stunde
trafen wir auf den Rest der Gruppe. Sie hatten sich geteilt. Helmut Hamberger
hatte Schwierigkeiten mit seinen Augen, bei diesem Nebel. Er war zusammen mit
Anneliese gleich am Anfang umgekehrt. Max, Hans und Uschi und Helmut Fischer
gingen weiter zum Gipfel des Tungurahua. Wir stiegen inzwischen ab. Die
Vulkanasche war im Laufe des Tages aufgetaut und der Abstieg war etwas
beschwerlich. Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg nach Banjos.

Leider hatten wir keinen Camionetta mehr, der uns zur Ortschaft brachte und
der Weg zog sich endlos. Teilweise war der Schlamm so rutschig, daß wir uns
nur mit Skistöcken vorsichtig hinabtasten konnten. Am späten Nachmittag kamen
wir in Banjos an. Wir warfen unsere Rucksäcke herunter und zogen unsere
Badesachen an. Alle trafen sich im Thermalbad des Hotels wieder. Nach diesem
anstrengendem Abstieg war das ein Gefühl wie Weihnachten.
Unser Weiterweg führte uns nach Riobamba. Hier trafen wir unseren Bergführer
Marco Cruz. Nach dem Theo eine neue Thermoskanne erstanden hatte, ein sehr
exklusives Modell, ging unsere Fahrt mit Marco und seinen Leuten weiter zum
National-Park Cotopaxi. Auf einer Hochebene am Fuß des Cotopaxis schlugen wir
unser Lager auf. Alles war bestens organisiert. Wir hatten sogar ein eigenes
Speisezelt. Am Abend wurde uns ein Menü serviert wie wir es uns auf unseren
bisherigen Touren nur erträumnt hatten. So gastlich bewirtet und gut geführt
erreichten fast alle unserer Gruppe den Gipfel. Nur Max und Hambi hatten wieder
Probleme mit den Steigeisen und mußten umkehren, sonst hatten alle unseren 2.
Vulkan bezwungen. Noch am selben Tag stiegen wir hinab zum Basis-Lager und am
nächsten Tag waren wir bereits auf dem Weg zum Chimborazo. Durch eine kleine
Panne, das Rad unseres Anhängers hatte uns überholt, waren wir zu einem Aufenthalt
in Latacunga gezwungen. Wir kamen dadurch in den Genuß einer Spezialität dieser
Stadt, ein Gericht mit Namen Chucchucarras. Bald traf auch unser 2. Jeep ein und
wir fuhren Richtung Chimborazo. Es war schon fast dunkel, als unser Auto beim
überqueren eines Passes von ca. 4.500 m im Sand stecken blieb. Also mußten alle
Mann aussteigen und schieben. Auf dieser Höhe hatte wohl noch keiner von uns je
ein Auto geschoben. Am Lager angekommen, standen unsere Zelte bereits und der
Tisch war auch schon gedeckt. Am nächsten Tag stiegen wir auf zu E. Wymper
Hütte, aber das Wetter war nicht sehr einladend. Am nächsten Morgen war dann
ein Gipfelanstieg wegen des Neuschnees nicht möglich. Aber wir hatten Glück

noch am selben Tag kam die Sonne raus. Wir gingen früh zu Bett. Denn bereits
um 23 Uhr wurden wir geweckt. Um kurz nach Zwölf gings dann los. Wir stampften
mit unseren Stirnlampen dahin, bis der Mond hell genug war. Oft mußten wir
anhalten und Marcos Leute brachten Fixseile an. Der Schnee war teilweise sehr
tief und wir kamen nur langsam voran. Die Höhe machte mir schon zu schaffen und
wir gingen sehr langsam. Nach 14 Stunden Aufstieg hatten wir es dann geschafft.
Ein toller Erfolg. Bei strahlendem Wetter standen wir am Gipfel des Chimborazo
mit 6310 m. Der Abstieg war wieder sehr kräfteraubend. Der Schnee war durch
die Sonne aufgeweicht und sehr schwer, aber dank der Fixseile konnten wir uns
gut abseilen. Noch am selben Abend stiegen wir ins Basis-Lager ab. Das war schon
ein riesiges Tagespensum, aber trotzdem gab es am Abend noch eine gebührende Feier.
Wir verabschiedeten uns von Marco Cruz und seiner Mannschaft und fuhren noch ins
Amazonas-Tiefland. Für mich ein unvergessenes Erlebnis.